Fallsupervision

Fallsupervision – die Fälle schwimmen nicht weg

Wie denn auch bei der Masse? Höchstens der Blick verschwimmt.

Soziale Arbeit und Fallsupervision als hilfreiches Fallverstehen

Fallsupervision ist das ganzheitliche Nähern. Hierzu verweist Gordon Hamiltons sozialarbeiterische „Person-in-der-Situation-Konfiguration“  auf einen spezifischen Blick der Ganzheitlichkeit. Dies ist ein Merkmal der Sozialarbeit, die für einen Unterschied zu anderen Disziplinen taugt. Supervision ist ein Erbe der Sozialarbeit an die anderen Sozialwissenschaften und die Praxis. Wobei in diesem Fall der Erblasser quicklebendig ist und mit chronisch vollen Auftragsbüchern zu tun hat. Fallsupervision klärt, entlastet und macht handlungssicher. Deshalb lohnt sie sich: Für die, die  Supervision nehmen, für die Klienten und für die Sozialorganisationen und Arbeitgeber.

„Fälle“ spiegeln gesellschaftliche Verhältnisse wider

FallsupervisionNehmen wir aus der Geschichte das 13. Jahrhundert, wo die erstarkenden Städte eine hohe und wirksame Motivation hatten, unliebsame Personen außerhalb ihrer Blickgrenzen zu verbannen (e-liminieren). Die Kirchen waren ein wohltätiges Auffangbecken für die Gestrandeten. Der „Pauperismus des 18. und 19. Jahrhunderts steht ebenfalls für die Tradition, einerseits deutlich auszuschließen und andererseits diesen Ausschluss irgendwie zu kompensieren oder „unsichtbarer zu machen“. Fallsupervision führt Schicksale und Möglichkeiten lebendig vor Augen und ermutigt zum Handeln.

Wer mit welchem Mandat?

FallsupervisionDas „doppelte Mandat der Sozialarbeit“ von „Unterstützen und Kontrollieren“ ist in jahrhundertlanger Tradition erwachsen. Wir kennen es heute u.a. in dem Sprachgebrauch von „Fördern und Fordern“, u.a im SGB II.  In die genauere Geschichte der Sozialarbeit und der Einzelfallhilfe einzusteigen gerne an anderer Stelle. Nur soviel und sehr pointiert: Die Kontrolle ist eines der Bedürfnisse der Administration (Backoffice), die Unterstützung eines der ProtagonistInnen des Frontoffice. Ein Beispiel unter vielen ist das Jugendamt: Innerhalb des Jugendamtes bedarf es einer gelingenden Kommunikation zwischen den Abteilungen des ASD und der wirtschaftlicher Jugendhilfe. Deshalb Sozialarbeiter*innen müssen vielfach sprachbegabt sein, auch innerhalb der eigenen Organisation.

Dreifachmandat – Triple statt Trippeln

Heute  und das eigentlich seit langem schon sprechen wir zurecht von einem Dreifachmandat oder Triplemandat der Sozialarbeit: eines von der Politik (§ 20 GG, Subsidiaritätsprinzip u.a.), eines vom Klienten/ Klientensystem ( u.a. durch Beziehungskompetenz der Handelnden in der Sozialen Arbeit) und eines von der Profession („state of art“, „lege artis“). Gute Fallsupervision reflektiert natürlich immer, wer ist mit welchem Auftrag ausgestattet. Und unweigerlich heißt reflektieren auch kritische Positionen zu bewerten. Sonst wiederholen wir einseitige „Schuldzuweisungen“ oder „Pathologisierungen“, weil bei einigen und aus Tradition alleine das Klientsein schon Anlass gibt für defizitäre Bewertungen.

Fallsupervision – der kritische Blick von außen auf mehrere Systeme

Was unterscheidet Fallsupervision von einer Fallbesprechung innerhalb eines Teams? Teams, die mit einem Triplemandat der Sozialarbeit beauftragt sind und sich um Klient*innen mit Engagement zu kümmern, tun dies professionell in der Reflexion in Fallbesprechungen. Der Unterschied zu Teamsupervision besteht darin, dass sich diese Teams den professionell-kritischen und supervisorisch-erfahrenen Blick von Außen gönnen. Und Supervision ist in der Geschichte der Sozialarbeit mit Ambivalenzen ausgestattet. Supervisoren in der anloamerikanischen Tradition standen für „Vorgesetzte“ und Kontrollinstanzen“.

Fallsupervision in Deutschland

In Deutschland war es deshalb ein hohes Anliegen, dass Supervisoren nicht zur Organisation der Supervisanden gehören. Genügend Fremdheit des Supervisors und gleichzeitig genügend Nähe ist ein Professionsmerkmal der Supervision. Deshalb dürfen Supervisoren nicht am Auftrag klammern und diese unhinterfragt jahrelang fortführen. Der kritische Blick von Außen ist ein reflektierter Blick der Systemgrenzen und der Strukturen und Dynamiken im System.

Wenn Teams Fallsupervision wollen und keinesfalls Teamsupervision

Fallsupervision, diese Anfrage erreichen Supervisoren landläufig immer wieder. Im besten Sinne werden die Anfragen als Fokussierungen auf die eigentliche Aufgabe für das Klientensystem bewertet. Gleichzeitig stellt sich provokativ die Frage, was aus welchem Grunde vermieden werden solle. Denn die ganzheitliche Sicht in der Fallsupervision bedingt den Blick auf die Beziehungsebene zwischen Klient und Professionellem, auf die Persönlichkeiten und die arbeitsmäßige Rolle Letzterer, auf Strukturen und das praktische Konzept der Organisation.

Darf man als Supervisor?

Darf man als Supervisor also Teamsupervision gestalten, wenn Fallsupervision in einem Team vereinbart ist? Professionell muss man den Blick auf das Teamsystem öffnen, wenn Teams die Fallverantwortung haben. Kurz gesagt: Fallsupervision ist eine Priorisierung des Fokus und darf kein Kontrakt sein, um das zu vermeiden, was zur qualitativ guten Arbeit in den Blick zu nehmen nötig ist. Schließlich ist Supervision ein Beratungsformat der Professionalität und Qualität. Und ebenso gilt: Teamsupervision muss den Auftrag des Teams für das Klientensystem einbeziehen. Beide Formen der Supervision sind halt verwandt. Der Supervisor klärt das transparent in der Kontraktgestaltung (Dreieckskontrakt). Darf Fallsupervision Spaß machen? – Ja, unbedingt. Mit Respekt, Entdeckerfreude und Humor sich dem Eigentlichen nähern.

Und was nun? – Erkenntnis- und Handlungsinteresse

Am Ende einer Fallsupervision solle es neue Sichtweisen geben. Wir nennen es Multiperspektivität und  Erklärungswissen aus sozialwissenschaftllichen Wissensbeständen. Nur die Strukturen und Dynamiken der Persönlichkeiten im Klientensystem zu analysieren ist nicht ausreichend. Es braucht den Blick auf die Interdependenzen und die Metaebenen. Und nicht zu unterschätzen sind Impulse wünschenswert, wie mit aktuellen und ähnlich komplexen Herausforderungen umzugehen ist. Für was entscheiden sich die Supervisanden, ist die Tür ins Praktische, nachdem die Säle der relevanten Erkenntnis zielführend durchschritten sind.

Fallsupervision – Notwendige Schritte

Und wenn Supervision innerhalb der Organisation, des Arbeitgebers, der Gesellschaft Impulse für Verbesserungen gibt, dann ist das mindestens sehr gewünscht. Professionell Verantwortliche schätzen es, dass strukturelle Ergebnisse der Supervision die Leitungsebene erreicht. Und das transparent und mit den Beteiligten abgesprochen. Persönliches bleibt geschützt – an diesem Merkmal der Supervision geht kein Weg vorbei. Was ist das Eigentliche der Arbeit? Fallsupervision hat die Falltiefe, um Antworten zu gemeinsam entwickeln.